Finanzüberblick 2. Quartal 2016
Wirtschaftliches Umfeld
USA
Die amerikanische Wirtschaft zeigt immer noch keinen klaren Aufwärtstrend. Zwar sinkt die Arbeitslosenquote kontinuierlich, aber der zuletzt gemeldete Stellenzuwachs war so schwach wie letzmals im September 2010. Auch die Frühindikatoren und die Industrieproduktion fielen schwächer aus wie erhofft. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs im 1. Quartal denn auch nur um 1.1 % und verfehlte die Erwartungen deutlich. Trotz des starken Privatkonsums war dies der schwächste Anstieg seit zwei Jahren. Angesichts dieser Daten ist es wenig verwunderlich, dass die amerikanische Notenbank (FED) anlässlich ihrer letzten Sitzung auf das Anheben der Leitzinsen verzichtete. Neben der schwächelnden Wirtschaftslage war auch die bevorstehende Brexit-Abstimmung ein Grund für die Zurückhaltung der FED. Zudem wurde die Wachstumsprognose für das laufende Jahr nach unten angepasst. Entsprechend erwarten die meisten Marktbeobachter höchstens eine Zinserhöhung im laufenden Jahr, frühestens im September.
EU
Das europäische Wirtschaftsumfeld entwickelte sich erfreulich. Sinkende Arbeitslosenzahlen und ein steigendes Konsumentenvertrauen sorgen für Zuversicht. Das BIP stieg im 1. Quartal in der Eurozone mit 0.6 % überraschend stark. Eine ähnlich gute Entwicklung war auch in vielen Mitgliedsländern zu verzeichnen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hielt nach der letzten Sitzung von anfangs Juni an ihren umfangreichen geldpolitischen Massnahmen fest. Die Leitzinsen werden für eine längere Zeit tief gehalten.
Europa stand im Zeichen der Brexit-Abstimmung vom 23. Juni über den weiteren Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU. Das Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU kam sehr überraschend. Zwar war im Vorfeld ein knapper Ausgang erwartet worden, aber kaum jemand rechnete mit diesem Resultat. Selbst die in England sonst so zuverlässigen Buchmacher hatten sich geirrt. Der Entscheid bringt nun eine Zäsur, nicht nur für das Vereinigte Königreich, sondern auch für die EU. Zuerst müssen die Briten den Austritt aus der EU erklären und von diesem Zeitpunkt an, beginnt die zweijährige Auflösungsfrist zur Regelung der neuen Beziehung zu laufen. Allerdings kann diese Frist auch verlängert werden, wovon die meisten Beobachter derzeit ausgehen. Zudem dürfte die EU als Ganzes erneut in Frage gestellt werden. Überlegen sich allenfalls weitere Länder einen Austritt, nachdem der Präzedenzfall nun geschaffen ist und wie sieht die politische Ausrichtung der EU in den kommenden Jahren aus? Die sehr heterogene Gruppe von noch 27 Mitgliedsländern macht die Beantwortung dieser und weiterer Fragen sicher nicht einfacher und wird in den kommenden Monaten und Jahre immer wieder für Unruhe sorgen.
Wirtschaftlich wird der Austritt besonders in Grossbritannien den grössten Schaden anrichten. Die europäische Wirtschaft sollte weniger betroffen sein, aber trotzdem leichte Einbussen erleiden. Kurzfristig dürfte die Verunsicherung Unternehmen und Investoren belasten.
Schweiz
Die Auswirkungen aus der Aufgabe des EUR/CHF-Mindestkurses sind in der Schweizer Wirtschaft nach wie vor zu spüren. Das BIP stieg im 1. Quartal nur um enttäuschende 0.1 %. Ebenfalls ist der Detailhandelsumsatz aufgrund der tieferen Wechselkurse und des Einkaufstourismus seit Januar 2015 ununterbrochen gesunken. Allerdings gab es auch wieder erste Lichtblicke. Erstmals seit der Aufgabe des Mindestkurses ist die Industrieproduktion im 1. Quartal wieder leicht gestiegen. Der Einkaufsmanagerindex erreichte einen seit zwei Jahren nicht mehr verzeichneten Höchststand. Die Arbeitslosenquote reduzierte sich ebenfalls. Trotzdem ist der Aufschwung noch sehr zaghaft und anfällig auf unerwartete Veränderungen. Ein solches Ereignis ist der Brexit zweifellos, auch wenn die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen derzeit schwierig einzuschätzen sind. Klar ist jedenfalls, dass der Schweizer Franken in einem verunsicherten Umfeld gesucht bleibt und die Schweizerische Nationalbank (SNB) gefordert ist alles zu unternehmen, um einer Frankenaufwertung entgegenzuwirken. Dies tut sie mittels Deviseninterventionen. Aber auch eine weitere Reduktion des Minuszinses, welcher bisher unverändert belassen wurde, steht zur Diskussion. Die SNB wird die Lage aufmerksam beobachten und mit weitergehenden Massnahmen ist jederzeit zu rechnen. Die Leitzinsen dürften jedenfalls noch für lange Zeit tief oder sogar negativ bleiben.
Aktienmärkte
Zu Beginn des zweiten Quartals konnten sich die Aktienmärkte nach dem schwachen ersten Quartal wieder etwas auffangen. Mit dem Ausbleiben einer amerikanischen Leitzinserhöhung setzte sich die nur kurzfristig unterbrochene Erholung ab anfangs Mai fort. Allerdings war der Aufwärtstrend nur von kurzer Dauer. Im Vorfeld der FED-Sitzung von Mitte Juni kam es zu einer ersten deutlichen Korrektur. Nachdem das Ausbleiben einer Leitzinserhöhung mit steigenden Kursen honoriert wurde, folgte am Tag des Brexit ein deutlicher Rückgang, welcher einige Indices auf neue Jahrestiefstkurse drückte. Immerhin konnten sich die Märkte nach dem ersten Schock in den darauffolgenden Tagen wieder etwas erholen.
Derzeit ist es schwierig, die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen des britischen Entscheides abschätzen zu können, da bekanntlich bisher noch nie ein Land aus der EU ausgetreten ist. Vorerst ändert sich am Verhältnis Grossbritannien/EU jedoch wenig, denn das Austrittsprozedere und die folgenden Verhandlungen werden Jahre in Anspruch nehmen. Der Ausgang dieser Verhandlungen und die Konsequenzen sind ungewiss. Es ist diese Unsicherheit, welche derzeit die Aktienmärkte belastet und die Investoren aus Vorsicht zuerst einmal ihre Risiken reduzieren lässt. Aufgrund des langen Zeithorizonts ist aber nicht auszuschliessen, dass die Marktteilnehmer nach den ersten panikartigen Kurzschlussreaktionen wieder zu einer nüchternen Betrachtungsweise zurückkehren und sich der Fokus bald auf andere Ereignisse richten wird.
In den kommenden Wochen und Monaten ist, je nach Meldungslage, mit anhaltend volatilen Märkten zu rechnen. Kursrückschläge bieten u.E. auch wieder neue Chancen. Denn an den zu Aktien fehlenden Anlagealternativen hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, sind doch festverzinsliche Werte durch die gefallenen Renditen noch unattraktiver geworden. Dies wird auch in den kommenden Jahren so bleiben. Dagegen bieten Aktienanlagen sehr attraktive Dividendenrenditen und dürften deshalb auch weiterhin gefragt bleiben.
Die Entwicklung des Swiss Market Index (SMI), des Swiss Market Index Mid (SMIM), des europäischen DJ Euro Stoxx 50 (ESTX50) und des amerikanischen Standard & Poors 500 (S&P 500) in Lokalwährung sieht grafisch wie folgt aus:
USA
Der amerikanische Aktienmarkt konnte sich im Vergleich mit den übrigen Weltbörsen sehr gut halten und verzeichnete in US-Dollar sogar einen leichten Anstieg. Vom Brexit sind die USA kaum betroffen. Dafür steht die Binnenmarktentwicklung im Vordergrund. Hier dürfte es im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen im Herbst politisch turbulent werden.
Bei den US-Unternehmen ist nach wie vor festzustellen, dass die Umsatzentwicklung relativ enttäuschend ausfällt. Auch auf der Gewinnseite sind nach den grossen Kosteneinsparungen die Steigerungsmöglichkeiten beschränkt oder die Gewinne sind sogar wieder rückläufig. Der hohe US-Dollar ist dabei einer der Hauptgründe. Am besten entwickelten sich auch weiterhin die Aktien aus den defensiven Branchen Telekommunikation und Versorger. Am meisten büssten die Finanzwerte und Gesundheitstitel ein. Aufgrund der Unsicherheit in der Eurozone dürfte der amerikanische Aktienmarkt in nächster Zeit von den internationalen Anlegern vermehrt bevorzugt werden.
EU
Der Brexit-Entscheid der Briten hat die europäischen Aktienmärkte am heftigsten getroffen, umso mehr sich die Investoren im Vorfeld für einen positiven Ausgang positioniert hatten. Fast panikartig wurden am 24. Juni Aktien verkauft und einige Indices verzeichneten die grössten Tagesverluste seit der Finanzkrise. Inzwischen haben sich die Anlegergemüter wieder etwas beruhigt, auch wenn die Stimmung weiterhin nervös ist. Dies dürfte auch noch einige Zeit anhalten, bis sich die Investoren einigermassen im klaren Sinn, was die wirtschaftlichen Langzeitauswirkungen des britischen Entscheids sind.
Nur England (!) und Norwegen wiesen bei den europäischen Aktienindices in Lokalwährung noch eine positive Jahresperformance auf. Alle anderen Indices lagen im Minus. Deutlich zweistellig verloren die südeuropäischen Märkte wie Griechenland, Italien, Portugal und Spanien.
Die von uns gehaltenen europäischen Werte hielten sich noch relativ gut. Anheuser-Busch Inbev und LVMH lagen seit Jahresanfang nur knapp einstellig im Minus. Einzig Axa war, wie die Finanzwerte generell, zweistellig im Minus. BAT, Reckitt Benckiser, L’Oréal oder Royal Dutch Shell weisen teilweise immer noch ein deutlich zweistelliges Plus aus.
Schweiz
Der Swiss Market Index (SMI) lag zum Ende des zweiten Quartals einstellig im Minus. Das Ausscheiden Grossbritanniens hat auch an unserem Aktienmarkt zu Korrekturen geführt. Am meisten im Minus lagen die beiden Grossbankenwerte Credit Suisse und UBS mit deutlich über 30 %. Aber auch die konjunktursensitiven und vom Brexit besonders betroffenen Werte wie Adecco, LafargeHolcim, Richemont und Swatch verloren rund 20 %. Die Pharmaschwergewichte Novartis und Roche gehörten mit über – 7 % ebenfalls zu den Verlieren. Nestlé lag sogar knapp im Plus mit 0.8 %. Daneben konnten bei den Blue Chips ABB, Actelion, Geberit, Givaudan und SGS noch eine positive Jahresperformance ausweisen.
Im Vergleich mit den Blue Chips deutlich besser hielten sich wiederum die mittelgrossen Werte des Swiss Market Index Mid (SMIM). Von den 30 im Index enthaltenen Aktien lagen 14 im Plus. Zu den grössten Gewinnern gehörten dabei Ems-Chemie, Georg Fischer, Flughafen Zürich, Partners Group, Sika, Straumann und Swiss Prime Site. Bei den grössten Verlierern waren AMS, Aryzta Baloise, Clariant, Galenica, GAM, Sulzer und Swatch Group Namen zu finden.
Zinsen
Das bisherige Ausbleiben einer amerikanischen Zinserhöhung sowie die Aussichten, dass es in diesem Jahr vielleicht nur noch zu einer Erhöhung kommt, drückten auf die weltweiten Zinsmärkte. Ebenfalls sorgte die Verunsicherung im Zusammenhang mit dem Brexit zu einer Flucht in die sicheren Staatsanleihen. Die bereits schon tiefen Renditen fielen dadurch nochmals deutlich. Insgesamt weisen 40 % aller ausstehenden Staatsanleihen weltweit bereits eine Negativrendite auf! In der Schweiz weist keine einzige Staatsobligation mehr eine positive Rendite auf! Sogar die längste Eidgenossenanleihe mit einer Laufzeit bis 2064 ist unter die Nulllinie gefallen! Der 10jährige amerikanische Treasury-Bond notierte am Ende des zweiten Quartals bei einer Rendite von 1.52 % (Ende Vorquartal bei 1.82 %). Die Rendite der 10jährigen deutschen Bundesanleihe fiel erstmals in den negativen Bereich und lag bei -0.13 % (+0.16 %). Dagegen liegt die Rendite der 10jährigen Eidgenossenanleihe schon das ganze Jahr im negativen Bereich. Im zweiten Quartal wurde ein neuer Tiefstwert von -0.58 % verzeichnet. Zuletzt lag die Rendite bei -0.53 % (-0.06 %). Auf absehbare Zeit sehen wir keinen Grund für höhere Zinsen. Festverzinsliche Anlagen sind deshalb nur punktuell empfehlenswert.
Währungen
USD/CHF
Das Ausbleiben der erwarteten Zinserhöhungen durch das FED belastete den US-Dollar. Nach einer kurzen Erholung Richtung Parität (1:1) fiel der Greenback wieder zurück und notierte zeitweise unter 0.96. Im Nachgang zum Brexit konnte der US-Dollar wieder zulegen, liegt aber nach wie vor unter dem Jahresanfangsstand. Die weitere Entwicklung dürfte von den Leitzinserhöhungen des FED abhängen. Sollte wider Erwarten dieses Jahr keine Zinserhöhung mehr erfolgen, könnte dies den Dollar erneut belasten.
EUR/CHF
Erfreulicherweise befestigte sich der Euro zum Schweizer Franken und erreichte wieder Kurse von über 1.11. Dieses Niveau konnte jedoch nicht lange gehalten werden und der Wechselkurs fiel deutlich zurück. Insbesondere der Brexit drückte den Euro auf den tiefsten Stand des Jahres bei rund 1.062. Die SNB musste erneut intervenieren und der Euro konnte sich inzwischen wieder etwas auffangen. Allerdings notiert er unter dem Jahresanfangsstand. Weitergehende Massnahmen seitens der SNB sind bei einer neuerlichen Abschwächung des EUR möglich. Jedenfalls ist in nächster Zeit nicht mit einer deutlichen Erholung zu rechnen.
GOLD
Das Gold gehörte zu den besten Anlagen im ersten Halbjahr 2016. Das gelbe Metall konnte von den weiterhin tief bleibenden Zinsen, dem schwächeren US-Dollar sowie ganz besonders von den Unsicherheiten um den britischen Brexit profitieren. Da einerseits die Zinsen für längere Zeit tief bleiben und auch die Unsicherheiten in Europa nicht so bald verschwinden werden, dürfte der Goldpreis auch weiterhin gut unterstützt bleiben.